Den Habermas’schen ›herrschaftsfreien Diskurs‹ hat es wohl immer nur als Utopie gegeben. Indes verfestigt sich der Eindruck, dass auch eine auf Fakten und Realitäten basierende, an Wahrheits- und Kompromissfindung orientierte, auf Lernprozesse und Problemlösungen zielende öffentliche Auseinandersetzung zusehends schwieriger, ja unmöglich wird.
Dieser Thematik spürt eine Buchreihe nach, die Stephan Russ-Mohl herausgibt. Sie fragt danach, warum der lagerübergreifende öffentlich-demokratische Diskurs gefährdet, ja geradezu ›kaputt‹ ist, weshalb es in einer Welt zunehmender Optionen kaum noch einen öffentlichen Wettbewerb auf dem Marktplatz der Ideen gibt, dagegen „Alternativlosigkeit“ nicht nur von der Bundesregierung zum geflügelten Wort geadelt wurde. Das soll heissen: Wir brauchen Theorien des gelingenden oder misslingenden Diskurses, die auch in Form von ›Pro & Contra‹ als konkurrierende Theoriealternativen präsentiert werden können.
Zugleich gilt es an konkreten empirischen Beispielen zu belegen, dass und weshalb durch gezielte Desinformation ein ›Realitätsvakuum‹ und statt eines zielführenden Diskurses eine nicht mehr faktenbasierte ›Diskurssimulation‹ entstehen kann. Ferner sind Erklärungen dafür zu finden, warum es heute auch unter Bedingungen von Presse- und Meinungsfreiheit möglich ist, dass täglich regierungsoffiziell desinformiert wird und sich letztlich in der politischen Arena kaum noch ein fairer, faktenbasierter und ›rationaler‹ Interessensausgleich herbeiführen lässt.
Michael Müller
Politisches Story-Telling
Stephan Russ-Mohl (Hrsg.)
Streitlust und Streitkunst - Diskurs als Essenz der Demokratie.
Schriften zur Rettung des öffentlichen Diskurses